Baden-Baden: Rückwirkende Erhöhung der Abwassergebühren wegen Verstoßes gegen das „Schlechterstellungsverbot“ unzulässig

14.02.2014

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat in zwei Fällen Klagen gegen Bescheide der Stadt Baden-Baden, mit denen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2013 Niederschlagswassergebühren festgesetzt worden waren, teilweise stattgegeben.

Gestützt waren die Bescheide jeweils auf die am 08.04.2013 vom Gemeinderat beschlossene, am 27.04.2013 öffentlich bekannt gemachte Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung). Mit dieser Satzung führte die Stadt die „gesplittete“ Abwassergebühr ein. Das zuvor geltende Gebührenrecht hatte noch einen einheitlichen, am bezogenen Frischwasser orientierten Gebührensatz vorgesehen. Diesen einheitlichen Gebührensatz hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit einem im März 2010 ergangenen Urteil für rechtswidrig erachtet mit der Folge, dass sich die damalige Abwassersatzung der Stadt insoweit als ungültig erwies. Mit der Einführung der „gesplitteten“ Abwassergebühr in ihrer Satzung vom 08.04.2013, die insoweit nach ihrem § 35 rückwirkend zum 01.01.2011 in Kraft getreten ist und nunmehr getrennte Gebührensätze für Schmutzwasser und Niederschlagswasser vorsieht, trug die Stadt diesem Urteil Rechnung.

Allerdings setzte die Stadt für die Berechnung der „gesplitteten“ Abwassergebühren im Ergebnis höhere Gesamtkosten an als in ihrem vor der Satzung vom 08.04.2013 maßgeblichen Abwassersatzungsrecht. Anlass hierfür war die bei der neuen Gebührenkalkulation gewonnene Erkenntnis, dass die Gebührensätze, welche sie in ihrem früheren Satzungsrecht geregelt hatte, nicht kostendeckend gewesen waren. Der Ansatz der höheren Gesamtkosten führte dazu, dass die Stadt mit der rückwirkenden Inkraftsetzung der Satzung vom 08.04.2013 zugleich höhere Kosten auf die Gebührenschuldner rückwirkend umlegte.

Dies verstößt, wie die 2. Kammer nunmehr entschieden hat, gegen das sogenannte „Schlechterstellungsverbot“. Zwar sei nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der rückwirkende Erlass einer Abgabensatzung zulässig, wenn die Rückwirkung dazu diene, eine ungültige oder in ihrer Gültigkeit zweifelhafte Satzung durch eine gültige Satzung zu ersetzen. Es gebe, führt die 2. Kammer in ihrer Entscheidung weiter aus, auch kein allgemeines, aus Verfassungsprinzipien herzuleitendes Schlechterstellungsverbot. Zwar stehe grundsätzlich der Vertrauensschutz der Rückwirkung belastender Vorschriften entgegen. Dies gelte dann aber nicht, wenn die von dem rückwirkend tätig werdenden Gesetzgeber konkret gewählte Regelung für den Normadressaten – wenn auch nicht in allen Details – absehbar gewesen sei. So verhalte es sich im vorliegenden Fall freilich nicht. Denn die Kläger hätten, was den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.04.2013 betreffe, nicht damit rechnen müssen, dass die Stadt der Festlegung der Abwassergebührensätze erheblich höhere Kosten zugrunde legen werde. Nach einer im Jahr 2011 herausgegebenen Informationsbroschüre der Stadt sowie der gesamten öffentlichen Diskussion hätten sie lediglich davon ausgehen müssen, dass eine gerechtere Verteilung der für die Beseitigung des Niederschlagswassers entstehenden Kosten mit der Folge einer nur vereinzelten Erhöhung der Gebührenpflicht erfolgen werde. Die Kläger hätten demgegenüber nicht damit rechnen müssen, dass die Stadt zusammen mit der rückwirkenden Einführung der „gesplitteten“ Abwassergebühr auch die Kosten für die Abwasserbeseitigung neu kalkulieren und die höheren Kosten rückwirkend umlegen werde.

Es fehle somit gegenwärtig im Satzungsrecht der Stadt für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.04.2013 an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Abwassergebühren. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien deshalb insoweit aufzuheben, als sie für diesen Zeitraum Niederschlagswassergebühren festsetzten. Rechtmäßig seien die Bescheide allerdings hinsichtlich der von ihnen weiter erfassten Zeit vom 01.05.2013 bis 31.12.2013. Für diesen Zeitraum biete die Abwassersatzung der Stadt eine wirksame Rechtsgrundlage.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger jeweils zu 2/9 und die Stadt zu 7/9 zu tragen.

Die beiden Urteile vom 30.01.2014 – 2 K 2233/13 und 2 K 2473/13 – sind nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.