Beabsichtigte Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch Axel Springer AG war medienrechtlich unbedenklich

29.01.2014

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat die medienrechtliche Unbedenklichkeitsbestätigung für eine zunächst beabsichtigte, später aufgegebene Übernahme der ProSiebenSAT.1 Media AG durch die Axel Springer AG im Jahre 2006 zu Unrecht verweigert. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Nach dem Rundfunkstaatsvertrag muss jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen an einem Fernsehveranstalter durch die zuständige Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden. Eine solche Bestätigung darf nicht erteilt werden, wenn das Unternehmen durch die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 v. H., so wird nach dem Rundfunkstaatsvertrag vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist. Gleiches gilt bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 v. H., sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 v. H. im Fernsehen entspricht. Bei der Berechnung des maßgeblichen Zuschaueranteils sind vom tatsächlichen Zuschaueranteil bis zu fünf Prozentpunkte abzuziehen, wenn in einem Vollprogramm sogenannte Fensterprogramme zur aktuellen und authentischen Darstellung der Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in dem jeweiligen Land oder Sendezeiten für Dritte aufgenommen sind. Für die (abschließende) Prüfung der Frage, ob die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen als unbedenklich bestätigt werden kann, ist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig.

Die Klägerin, die Axel Springer AG, beabsichtigte, sämtliche von einer Holding gehaltenen Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG zu übernehmen und für im Streubesitz befindliche stimmrechtslose Vorzugsaktien ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben. Die ProSiebenSAT.1 Media AG war ihrerseits Alleingesellschafterin von fünf Rundfunkveranstaltern (SAT 1, ProSieben, Kabel 1, 9Live, und N24). Die Klägerin zeigte im August 2005 gemeinsam mit betroffenen Fernsehveranstaltern bei der beklagten Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und bei der KEK die geplante Beteiligungsveränderung an. Die KEK fasste am 10. Januar 2006 den Beschluss, dass die geplante Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nicht als unbedenklich bestätigt werden könne, weil sie angesichts der Stellung der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten, insbesondere ihrer starken Position im Pressebereich, eine vorherrschende Meinungsmacht begründen würde, die derjenigen eines Fernsehveranstalters mit einem Zuschaueranteil von 42 v. H. entspräche.

Nachdem sich die beabsichtigte Übernahme der Anteile an der ProSiebenSAT.1 Media AG zerschlagen hatte und die Anteile inzwischen an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, beantragte die Klägerin in dem von ihr anhängig gemachten verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur noch die Feststellung, dass die Verweigerung der medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbestätigung rechtswidrig gewesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof München hat der Klage mit diesem Antrag in dem angefochtenen Urteil stattgegeben. Er hat unter Rückgriff auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, die einschlägige Bestimmung des Rundfunkstaatsvertrags sei nicht als abschließende Regelung dahin zu verstehen, dass vorherrschende Meinungsmacht nur bei Vorliegen der dort geregelten Vermutungstatbestände angenommen werden dürfe, insbesondere also zwingend erfordere, dass die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht würden. Die Vorschrift enthalte vielmehr Regelbeispiele, die es nicht ausschlössen, bei Vorliegen gewichtiger Gründe eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht würden. Der Verwaltungsgerichtshof ist von einem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 v. H. der Sendergruppe ausgegangen und hat angenommen, damit sei der Schwellenwert von 25 v. H. für eine zu vermutende vorherrschende Meinungsmacht um mehr als 10 v. H. und daher so deutlich verfehlt, dass die Aktivitäten der Klägerin auf anderen medienrelevanten Märkten nicht geeignet seien, gleichwohl eine vorherrschende Meinungsmacht anzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Soweit die Veränderung der Beteiligung an einem Fernsehveranstalter der Bestätigung medienrechtlicher Unbedenklichkeit bedarf, geht es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie in den Vermutungsregeln des Rundfunkstaatsvertrages ihren Ausdruck gefunden haben, um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht auf dem Fernsehmarkt. Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt, wie sie nach der Wertung des Gesetzgebers in entsprechenden Zuschaueranteilen ihren Ausdruck findet, kann zwar durch eine ebenfalls starke Stellung des Anteilsinhabers auf medienrelevanten verwandten Märkten verstärkt werden. Je weiter der Schwellenwert von 25 v. H. Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich die Rechtsanwendung von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle. Hier lag im Zeitpunkt der Entscheidung der KEK der Zuschaueranteil der von dem beabsichtigten Erwerb betroffenen Fernsehveranstalter unter 20 v. H., weil von dem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 v. H. weitere fünf Prozentpunkte für sogenannte Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter abzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn der Schwellenwert von 25 v. H. so deutlich unterschritten wird, kann eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen auch unter Einbeziehung von Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten grundsätzlich nicht mehr angenommen werden.

BVerwG 6 C 2.13 – Urteil vom 29. Januar 2014

Vorinstanzen:
VGH München 7 BV 11.285 – Urteil vom 15. Februar 2012
VG München M 17 K 06.2675 – Urteil vom 08. November 2007