Disziplinarische Maßnahme gegen Pfarrer der katholischen Kirche unterliegt nicht der Kontrolle staatlicher Gerichte

04.01.2013

Die vom Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Antragsgegner) einem katholischen Pfarrer (Antragsteller) als disziplinarische Maßnahme im Wege der Buße nach kanonischem Recht auferlegte Gehaltskürzung unterliegt nicht der Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit. Das hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem jetzt bekannt gegebenen Beschluss vom 18. Dezember 2012 entschieden und die Beschwerde des Antragstellers gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart zurückgewiesen, das seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Gehaltskürzung abgelehnt hatte.
Der Antragsteller ist katholischer Pfarrer im Ruhestand. Ihm wurde vorgeworfen, in den 1960er Jahren sexuelle Handlungen an Minderjährigen vorgenommen zu haben. Der Antragsgegner erteilte ihm mit Dekret vom 22.06.2011 nach kanonischem Recht einen Verweis. Diesem fügte er „nach seinem klugen Urteil“ eine Buße hinzu, wonach der Antragsteller ein Werk der Caritas zu leisten habe. Insoweit legte er dem Antragsteller eine 20%ige Kürzung seiner Bezüge zugunsten eines Fonds auf die Dauer von drei Jahren ab August 2011 auf. Der dagegen eingelegte Rekurs des Antragstellers blieb erfolglos. Seinen im Mai 2012 beim Verwaltungsgericht Stuttgart gestellten Eilantrag, dem Antragsgegner durch eine einstweilige Anordnung aufzugeben, ihm die ab August 2011 zustehenden Bezüge ohne Kürzung auszuzahlen, lehnte das Verwaltungsgericht ab (Pressemitteilung vom 23.08.2012). Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der VGH mit dem Beschluss vom 18. Dezember 2012 zurückgewiesen.

Der VGH bestätigt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Gehaltskürzung als disziplinarische Maßnahme nach kanonischem Recht nicht der Kontrolle durch ein staatliches Gericht unterliege.

Zwar sei es den öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften überlassen, für Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen ihrer Beamten und Seelsorger den Rechtsweg zu staatlichen Verwaltungsgerichten wie bei Klagen staatlicher Beamter zu eröffnen. Eine solche kirchenrechtliche Rechtswegzuweisung gebe es hier aber nicht. Den Kirchen sei das Recht zur eigenständigen Ordnung und Gestaltung ihrer inneren Angelegenheiten verfassungsrechtlich gewährleistet. Soweit dieses Selbstbestimmungsrecht reiche, unterlägen sie nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit. Das gelte insbesondere für die Art und Weise, in der die Kirche ihren geistlich-religiösen Auftrag auffasse und erfülle. Insoweit gehöre auch das Dienstrecht der Geistlichen zum Kernbereich innergemeinschaftlicher Angelegenheiten der Kirchen. Diesbezügliche Entscheidungen der Kirchen und Kirchengerichte seien von den staatlichen Gerichten hinzunehmen. Auch die Justizgewährungspflicht des Staates und das Rechtsstaatsprinzip ermächtigten staatliche Gerichte nicht, über kircheninterne Maßnahmen zu entscheiden.

Die nach kanonischem Recht als Werk der Caritas auferlegte Buße in Gestalt einer Gehaltskürzung sei eine solche rein innerkirchliche Maßnahme. Sie sei eine dienstrechtliche, an einen innerkirchlichen Pflichtenverstoß des Antragstellers anknüpfende disziplinarische Maßnahme. Der Antragsteller sei zum kanonischen Gehorsam verpflichtet und unterliege dem kirchlichen Straf- und Disziplinarrecht. Die Disziplinargewalt der Kirchen sei aber nicht vom Staat verliehen. Das Disziplinarrecht der Kirchen wurzele als Teil ihres Amtsrechts in ihrem geistlichen Wesen und bilde einen Kern ihres Selbstbestimmungsrechts.

Der Beschluss ist unanfechtbar (4 S 1540/112).