Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige zulässig

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in zwei Revisionsverfahren entschieden, dass weder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch europäisches Unionsrecht einer Industrie- und Handelskammer (IHK) verbieten, in ihrer Satzung Höchstaltersgrenzen für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige festzusetzen.

Die heute 73 bzw. 74 Jahre alten Kläger waren von den beklagten IHKs jeweils bis zum Erreichen der in den Sachverständigenordnungen (SVO) vorgesehenen Höchstaltersgrenze von 68 Jahren zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bestellt worden. Diese Bestellung war jeweils einmal bis zur Vollendung des 70. bzw. 71. Lebensjahres verlängert worden, was die SVOen ermöglichten. Die Anträge der Kläger auf weitere Verlängerung der Bestellung wurden von den Beklagten abgelehnt und blieben auch in der Revisionsinstanz ohne Erfolg.

Die Ablehnung der Verlängerungsbegehren beider Kläger durch die IHKs ist rechtmäßig. Zwar ist das AGG entgegen der Auffassung der IHKs auf die Entscheidung über die öffentliche Bestellung eines Sachverständigen anwendbar. In der Ablehnung einer Bestellung über die in der IHK-Satzung festgesetzte Höchstaltersgrenze hinaus liegt auch eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. Sie wird jedoch durch legitime Ziele der Regelung gerechtfertigt. Diese dient dem Schutz des Rechtsverkehrs und des Vertrauens in die Institution der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, denen mit der öffentlichen Bestellung eine besondere Sachkunde und Eignung zuerkannt wird, und die öffentlich-rechtlichen Pflichten unterliegen. Auf das auch mittelfristig uneingeschränkte Fortbestehen ihrer vollen Leistungsfähigkeit müssen Gerichte, Behörden und andere Auftraggeber jederzeit vertrauen können. Die Festsetzung einer solchen Höchstaltersgrenze ist im Sinne der Regelungen des AGG und der unionsrechtlichen Richtlinie 2000/78/EG objektiv, angemessen und erforderlich zur Erreichung dieser Ziele. Der Normgeber konnte davon ausgehen, dass mit fortschreitendem Alter die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit generell nachlässt. Ferner durfte er bei der Festsetzung von Höchstaltersgrenzen zugrunde legen, dass mit Beginn des achten Lebensjahrzehnts bei typisierender Betrachtung die für eine uneingeschränkte Wahrnehmung der besonders anspruchs- und verantwortungsvollen Aufgaben eines öffentlich bestellten Sachverständigen erforderliche Leistungsfähigkeit nicht mehr uneingeschränkt gegeben ist. Aus diesen Gründen ist die Höchstaltersgrenze auch als verhältnismäßige Regelung der Berufsausübung grundrechtlich gerechtfertigt.

BVerwG 8 C 45.09 und 46.09 – Urteile vom 26. Januar 2011

Vorinstanzen:
BVerwG 8 C 45.09: OVG Koblenz, 6 A 10637/08 – Urteil vom 21. Januar 2009 –
VG Mainz, 6 K 525/07 – Urteil vom 5. Mai 2008 –

BVerwG 8 C 46.09: VGH München, 22 BV 08.1413 – Urteil vom 28. Januar 2009 –
VG München, M 16 K 07.2565 – Urteil vom 11. März 2008 –

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