Baden-Baden: Bordellartiger Betrieb und Wohnungsprostitution im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

26.08.2014

Mit zwei Urteilen vom 23.07.2014, deren Begründung nunmehr vorliegt, hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zur Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes und zur gewerblichen Zimmervermietung zum Zwecke der Wohnungsprostitution im allgemeinen Wohngebiet in Baden-Baden entschieden.

Streitgegenstand des einen Verfahrens (Az 6 K 3323/13) sind Räumlichkeiten, in denen die Klägerin seit November 2009 einen FKK- und Saunaclub betreibt, ohne im Besitz der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung zu sein. Mit Verfügung vom 07.05.2013 untersagte die beklagte Stadt der Klägerin die Nutzung dieser Räumlichkeiten mit der Begründung, die nähere Umgebung des Baugrundstücks entspreche einem allgemeinen Wohngebiet. Dort aber sei ein bordellartiger Betrieb weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin hiergegen am 18.11.2013 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie sich im wesentlichen darauf berufen, die betreffenden Räume würden bereits seit Jahren als der Prostitution dienender Club benutzt ohne dass es je zu milieubedingten Störungen gekommen sei. Bei dem Club handele es sich um einen klassischen nichtstörenden Gewerbebetrieb. Die Nutzungsuntersagung sei auch unverhältnismäßig, zumal die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe, und verstoße ferner gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn in Baden-Baden würden ca. 25 bis 30 gleichartige Einrichtungen betrieben, gegen welche die Stadt nicht vorgehe.

Diesen Argumenten ist das Verwaltungsgericht im Urteil vom 23.07.2014 nicht gefolgt. Es hat festgestellt, dass das Grundstück, in dem der Club betrieben wird, zwar nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liege, die Umgebungsbebauung nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck aber als faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB anzusehen sei. In einem solchen Wohngebiet sei der bordellartige Betrieb der Klägerin weder allgemein zulässig noch ausnahmsweise zulassungsfähig ohne dass es auf dessen Störpotential im Einzelfall ankomme. Maßgeblich für die Beurteilung sei vielmehr eine typisierende Betrachtungsweise. Bei dieser Betrachtung beeinträchtige die Nutzung von Räumen zum Zwecke der Prostitution oder zu prostitutionsähnlichen Zwecken das Wohnumfeld erheblich und führe zu Spannungen. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung sei auch frei von Ermessensfehlern. Die Klägerin habe mit Blick auf die jahrelange unbeanstandete Nutzung der Räume nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen dürfen, dass die beklagte Stadt auch zukünftig nicht gegen die baurechtswidrige Nutzung einschreiten werde. Mit der Nutzungsuntersagung habe die Stadt den Betrieb der Klägerin auch nicht willkürlich herausgegriffen; vielmehr gehe die Beklagte in Umsetzung ihres Vergnügungsstättenkonzepts gegen baurechtswidrige Prostitutionsbetriebe vor und priorisiere hierbei in zulässiger Weise. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei schließlich auch nicht mit Blick auf getätigte Investitionen unverhältnismäßig, denn die Klägerin habe diese letztlich auf eigenes Risiko ohne Vorliegen der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung vorgenommen.

Streitgegenstand des zweiten Verfahrens (6 K 2252/13) sind Räumlichkeiten im Erdgeschoss eines Vorderhauses sowie im Obergeschoss eines Hinterhauses, welche als Ladengeschäft bzw. als Wohnung baurechtlich genehmigt sind. Im Hinterhaus wird bereits seit 2007 Prostitution betrieben; das Ladengeschäft im Vorderhaus wurde im Frühjahr 2011 umgebaut. Bei der Beklagten gingen mehrere Nachbarschaftsbeschwerden u.a. der Katholischen Kirchengemeinde und von Anwohnern ein. Einen Antrag der Klägerin – als Eigentümerin – auf baurechtliche Genehmigung der Umnutzung der Räume als gewerbliche Zimmervermietung zum Zwecke der Wohnungsprostitution lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2013 ab. Gleichzeitig untersagte sie die Nutzung des ehemaligen Ladengeschäftes im Erdgeschoss des Vorderhauses und der Wohnung im Hinterhaus als bordellartigen Betrieb. Die Einstufung als bordellartiger Betrieb folge daraus, dass die Klägerin die Wohnungen nur über kurze Zeiträume vermiete. Ein bordellartiger Betrieb sei im allgemeinen Wohngebiet aber unzulässig. Nachdem die Klägerin erfolglos ein Widerspruchsverfahren durchlaufen hatte, erhob sie am 30.08.2013 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Sie trägt u.a. vor, die Beklagte gehe zu Unrecht von einem bordellartigen Betrieb aus. Es liege vielmehr ein Fall der Wohnungsprostitution vor, bei der die Prostituierten nicht nach außen in Erscheinung träten. Eine milieubedingte Unruhe sei daher in der Umgebung nicht zu befürchten.

Das Verwaltungsgericht hat auch in diesem Verfahren festgestellt, dass für das Gebiet, in dem das Baugrundstück liege, kein Bebauungsplan existiere und es sich bei diesem um ein faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB handele. In diesem Gebiet sei der von der Klägerin fortgesetzte Betrieb einer gewerblichen Zimmervermietung weder allgemein zulässig noch ausnahmsweise zulassungsfähig. Letztlich könne dahinstehen, ob diese Nutzung als Wohnungsprostitution oder als bordellartiger Betrieb anzusehen sei, denn in beiden Fällen sei sie bei der gebotenen typisierenden Betrachtung planungsrechtlich generell unzulässig ohne dass es auf das Störpotential im Einzelfall ankomme. Aber auch dann, wenn man in Bezug auf die Wohnungsprostitution eine andere rechtliche Einschätzung vornehmen wollte, sei die konkret zur Genehmigung gestellte Form der Nutzung hier unzulässig und auch nicht ausnahmsweise zulassungsfähig. Denn nach der vor Ort gewonnenen Einschätzung der Kammer liege ein bordellartiger Betrieb und nicht lediglich Wohnungsprostitution vor. Es habe sich erwiesen, dass die aktuellen Mieterinnen nicht tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung hätten und sich nur „wochenweise“ dort aufhielten. Dafür, dass nicht das Wohnen, sondern die Prostitution der Wohnung das Gepräge gebe, spreche auch die Gestaltung des Eingangsbereichs der Wohnung und der Wohnung selbst. In Bezug auf die Nutzungsuntersagung der Beklagten sei die Verfügung der Beklagten – aus denselben Gründen wie die im Verfahren 6 K 3323/13 streitgegenständliche Verfügung – frei von Ermessensfehlern.

Die Urteile vom 23.07.2014 sind nicht rechtskräftig. Die Klägerinnen können jeweils innerhalb eines Monats – gerechnet ab Zustellung der Urteilsbegründung – die Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beantragen.