Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin nur auf gesetzlicher Grundlage

Eine Rechtsreferendarin kann eine Auflage, die ihr das Tragen eines Kopftuchs bei hoheitlichen Tätigkeiten im Referendariat untersagt, in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren auch dann noch – mit der Fortsetzungsfeststellungsklage – angreifen, wenn die Auflage nach acht Monaten mangels Bedeutung für die weiteren Ausbildungsstationen aufgehoben worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin ist muslimischen Glaubens und trägt als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch. Im September 2014 wurde sie in Bayern zu dem im Oktober beginnenden juristischen Vorbereitungsdienst mit der Auflage zugelassen, dass „bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z.B. Wahrnehmung des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen.“ Der Widerspruch der Klägerin gegen die Auflage blieb erfolglos. Nach der Klageerhebung hob der Beklagte – acht Monate nach Beginn des Referendariats – die Auflage auf, weil die Strafrechtsstation mittlerweile beendet und die Auflage daher nicht mehr erforderlich sei.

Daraufhin beantragte die Klägerin festzustellen, dass die Auflage rechtswidrig gewesen ist. Hiermit war sie erstinstanzlich erfolgreich, unterlag aber in der zweiten Instanz. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Insbesondere liege zwar ein Grundrechtseingriff vor; dieser sei aber nicht tiefgreifend und habe sich auch nicht typischerweise kurzfristig erledigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und das stattgebende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt:

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, weil die „Kopftuch-Auflage“ einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, der sich typischerweise zu kurzfristig erledigt, um Hauptsacherechtsschutz zu erlangen. Die Auflage maß sich zwar Bedeutung für die gesamte zweijährige Referendariatszeit bei, hatte aber typischerweise nur in den ersten beiden Stationen – der Zivil- und der Strafrechtsstation – einen praktischen Anwendungsbereich. Innerhalb dieses Zeitraums ist Hauptsacherechtsschutz – auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsverfahrens – regelmäßig nicht zu erlangen.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet, weil es im maßgeblichen Zeitraum der Geltungsdauer der Auflage von Oktober 2014 bis Mai 2015 in Bayern die erforderliche gesetzliche Grundlage für den mit einer solchen Auflage verbundenen Eingriff in die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) noch nicht gab; diese gesetzliche Grundlage ist erst im Jahr 2018 mit Art. 11 Absatz 2 Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz i.V.m. Art. 57 Bayerisches Gerichtsverfassungsausführungsgesetz geschaffen worden.