Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: OVG NRW bekräftigt in zwei Entscheidungen seine Rechtsprechung zum neuen Ladenöffnungsgesetz

Der Möbeleinzelhandel darf vorerst nicht mehrmals jährlich am Sonntagnachmittag im ganzen Gebiet von Stadtlohn zu dem Zweck öffnen, diesen Gewerbezweig und seine herausragende Position für die Stadt angesichts einer Abwärtsentwicklung in den letzten Jahren zu stärken. Eine entsprechende Verordnung der Stadt hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW gestern bis zur Entscheidung im Normenkontrollverfahren außer Vollzug gesetzt. Die Entscheidung betrifft auch den kommenden Sonntag, den 28. April 2019, nicht allerdings den Bereich der Innenstadt, der durch eine andere Verordnung freigegeben ist.

In der Innenstadt von Mönchengladbach dürfen die Geschäfte am kommenden Sonntag dagegen im unmittelbaren Umfeld der „Blaulichtmeile“ auf der Hindenburgstraße öffnen. Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hierzu hat der Senat gestern abgelehnt.

Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung zum neuen Ladenöffnungsgesetz bekräftigt (vgl. Pressemitteilung vom 13.11.2018, Beschluss vom 2.11.2018 4 B 1580/18), wonach die sehr weit gefassten erweiterten gesetzlichen Voraussetzungen für Ladenöffnungsfreigaben an Sonn- und Feiertagen einschränkend ausgelegt werden müssten. Damit etwa das Interesse an einem vielfältigen Einzelhandel wenigstens in Kombination mit anderen Sachgründen das erforderliche Gewicht für eine Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes erlangen könne, müssten besondere örtliche Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen) belegbar gegeben sein, die eine Durchbrechung der Arbeitsruhe sowie eine Begünstigung bestimmter Verkaufsstellen auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wettbewerbsneutralität rechtfertigen könnten. Hierzu bedürfe es zudem eines schlüssig verfolgten Gesamtkonzepts, im Rahmen dessen verkaufsoffene Sonntage geeignet erschienen, den damit verfolgten legitimen Zielen jenseits des Umsatzinteresses des Handels zu dienen.

In Stadtlohn sei nicht ersichtlich, dass bezogen auf die Verkaufsstellen des Möbeleinzelhandels eine besondere örtliche Problemlage belegbar gegeben sei, die eine Durchbrechung der Arbeitsruhe sowie eine Begünstigung dieser Verkaufsstellen auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wettbewerbsneutralität rechtfertigen könne. Der im Gebiet der Antragsgegnerin besonders starke Möbeleinzelhandel ziehe ohnehin bereits an Werktagen erhebliche Kaufkraft aus anderen Gemeinden ab. Weder diese besondere Stärke noch ihr geringfügiger Rückgang in den vergangenen Jahren rechtfertigten es, den ohnehin schon bestehenden standortbedingten Wettbewerbsvorteil, der erhebliche Kundenzahlen aus dem Umland anziehe, auf Kosten anderer Möbelstandorte, für die die sonntägliche Arbeitsruhe gelte, durch sonntägliche Ladenöffnungen noch weiter auszubauen.

Bezogen auf die Freigabe der Ladenöffnung in Mönchengladbach im Zusammenhang mit der „Blaulichtmeile“ in der Gladbacher Innenstadt hat das Oberverwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dagegen wegen der offenen Rechtslage nicht für dringend geboten gehalten. Die angegriffene Regelung erfülle voraussichtlich die nach der Rechtsprechung des Senats zu beachtenden Vorgaben für eine Öffnung von Verkaufsstellen im Zusammenhang mit einer Veranstaltung an einem Sonntag. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 12.12.2018 entschieden, der verfassungsrechtlich gebotene Ausnahmecharakter bestehe im Sinne einer „notwendigen Bedingung“ nur dann, wenn die Anlassveranstaltung mehr Besucher anziehe als die Ladenöffnung. Der Senat gehe zwar von einem prägenden Charakter der „Blaulichtmeile“ für den Bereich Hindenburgstraße aus, könne aber nicht feststellen, dass die Veranstaltung für sich genommen mehr Besucher anziehe als die zur Öffnung freigegebenen Ladenlokale. Der Senat habe jedoch Zweifel, ob sich das vom nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber ausdrücklich verworfene Erfordernis eines Besucherzahlenvergleichs aus der Verfassung und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.12.2009 ableiten lasse. Er halte die Rechtsfrage, ob für die Annahme der prägenden Wirkung einer Veranstaltung notwendig eine vergleichende Besucherzahlprognose erforderlich sei, durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht für geklärt.

Nach Einführung der untergesetzlichen Normenkontrolle in Nordrhein-Westfalen zum 1. Januar 2019 hatte das Oberverwaltungsgericht NRW in diesen beiden Fällen erstmals erstinstanzlich über sonntägliche Ladenöffnungen zu entscheiden.