Die landesrechtlich im Jahr 2022 erfolgte Änderung, wonach die Freie und Hansestadt Hamburg Erschließungsbeiträge für die endgültige Herstellung einer Straße auch in noch nicht abgeschlossenen Sachverhalten nach den tatsächlich entstandenen Kosten abrechnen darf, verstößt nach vorläufiger Bewertung nicht gegen die Verfassung. Dies hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit heute bekannt gegebenem Beschluss entschieden und damit einer Beschwerde der Stadt gegen einen gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg überwiegend stattgegeben.
AZ: 2 Bs 41/25
Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin eines Anliegergrundstücks gegen die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige endgültige Herstellung des Rugenbergener Wegs. Nach der Bekanntmachung der endgültigen Herstellung der Straße Ende des Jahres 2020 ermittelte die Stadt den beitragsfähigen Erschließungsaufwand nach den tatsächlich entstandenen Kosten und setzte Ende des Jahres 2024 gegen die Antragstellerin einen Erschließungsbeitrag fest. Dieser liegt mit ca. 17 Euro/m² Grundstücksfläche weit höher, als er im Jahr 2009, damals noch nach Einheitssätzen, unverbindlich geschätzt worden war. Dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen entsprochen (6 E 1480/25).
Auf die Beschwerde der Stadt hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und der Beschwerde der Stadt überwiegend stattgegeben. Nach vorläufiger Prüfung in einem Eilverfahren folgt das Oberverwaltungsgericht den verfassungsmäßigen Zweifeln des Verwaltungsgerichts an der Änderung des Landesrechts nicht, nach der die Stadt Erschließungsbeiträge auch in noch nicht abgeschlossenen Sachverhalten nach den tatsächlich entstandenen Kosten abrechnen darf. Die Änderung erfasse jeden Erschließungsbeitrag, für den es noch keinen bestandskräftigen Bescheid gibt, d.h. alle Fälle, in denen der Beitrag noch vor Gericht angefochten werden kann. Die Betroffenen hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass die bisherigen Einheitssätze bestehen bleiben würden. Die allgemeine Erwartung einer unveränderten Rechtslage genieße keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Pauschalierung bei der Berechnung der Höhe des Erschließungsbeitrags durch Einheitssätze diene nur der Vereinfachung, nicht aber einer Beitragssenkung. Im Weiteren bejaht das Oberverwaltungsgericht den Eintritt aller Voraussetzungen für eine Beitragspflicht der Antragstellerin, äußert aber teilweise Zweifel an der konkret abgerechneten Beitragshöhe.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hintergrund:
Erschließungsbeiträge werden seit langer Zeit – zurückreichend bis ins 19. Jahrhundert – von den Anliegern einer Straße erhoben für die erste vollständige Herstellung der Straße. Dieser Beitrag korrespondiert mit dem Vorteil für die Grundeigentümer, dass ihr Grundstück mit einem Weg für die Allgemeinheit erreichbar geworden ist. Die Erschließung ist Voraussetzung für die Bebauung oder jede andere planmäßige Nutzung eines Grundstücks; diese darf bei abgeschlossener Erschließung im Grundsatz nicht mehr versagt werden. In Hamburg existieren, insbesondere in den Randbereichen der Stadt, zahlreiche Straßen, die bislang nur provisorisch, d.h. noch nicht endgültig hergestellt, also vollständig ausgebaut, worden sind.
Gemäß § 46 Abs. 1 HWG wird der beitragsfähige Erschließungsaufwand vorbehaltlich des Absatzes 2 nach den tatsächlich entstandenen Kosten ermittelt. In der früheren Fassung bestimmte § 46 Abs. 2 Satz 1 HWG, dass der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) nach Einheitssätzen ermittelt werden soll. Mit dem Vierundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Wegegesetzes vom 6. Dezember 2022 (HmbGVBl. S. 605) wurde dieser Satz dahingehend modifiziert, dass dieser Vorbehalt nur bei vorhandenen und rechtmäßigen Einheitssätzen zum Tragen kommt. Die Neufassung gilt nach § 2 des 24. Änderungsgesetzes für alle noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte. Mit rechtskräftigem Urteil vom 25. Januar 2023 (2 Bf 225/21) hatte das Oberverwaltungsgericht u.a. festgestellt, dass die Stadt Erschließungsbeiträge für die endgültige Herstellung einer Straße nicht mehr nach Einheitssätzen (d.h. pauschaliert), sondern nur nach den tatsächlich entstandenen Kosten abrechnen darf.