Dritte Teilgenehmigung für den Weiterbau und Betrieb der Ersatzbrennstoffanlage Stade rechtswidrig und nicht vollziehbar

Der 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Urteilen vom 24. Oktober 2019 (AZ: 12 KS 118/17 bzw. 12 KS 127/17) den Klagen der Hansestadt Stade und eines benachbarten Obstbauern teilweise stattgegeben und die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der dritten und letzten immissionsschutzrechtlichen Teilgenehmigung für den Weiterbau und den Betrieb der Anlage zur thermischen Verwertung nicht gefährlicher Abfälle im Industriegebiet Stade-Bützfleth festgestellt. Mit dieser Anlage soll durch die Verbrennung sogenannter Ersatzbrennstoffe (z. B. Verpackungen, Abfälle aus der Papierherstellung) Energie erzeugt werden.

Maßgeblich für den Teilerfolg der Klagen war Folgendes: Der dritten Teilgenehmigung waren in den Jahren 2008 und 2009 ein Vorbescheid sowie zwei Teilgenehmigungen vorausgegangen. Bereits der Vorbescheid entschied abschließend über den Standort der Anlage und legte einzuhaltende Grenzwerte für die Emissionen und die Schadstoffbelastung der Ersatzbrennstoffe fest. Schon kurz nach dem Ergehen des Vorbescheids wurde der Standort der Anlage jedoch um ca. 160 m nach Südosten verschoben, ohne den Vorbescheid – wie erforderlich – entsprechend zu ändern. Deshalb wirkt der Vorbescheid nicht mehr zugunsten des geänderten Vorhabens, und die dritte Teilgenehmigung konnte weder auf die allein im Verfahren zur Erteilung des Vorbescheids durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung noch auf die durch den Vorbescheid getroffenen Festlegungen aufbauen. Unabhängig davon wären eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung insoweit erforderlich gewesen, als mit der dritten Teilgenehmigung – in Anpassung an eine 2013 eingetretene Verschärfung der Rechtslage – vereinzelt strengere Emissionsgrenzwerte als in dem Vorbescheid festgesetzt wurden, deren Einhaltung durch eine hierzu veränderte Rauchgasreinigungsanlage sichergestellt werden sollte.

Auf die Defizite an Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung konnten sich sowohl die Hansestadt Stade als auch der klagende Obstbauer erfolgreich berufen. Die Hansestadt Stade vermochte zudem mit Erfolg geltend zu machen, dass es zur Erteilung der dritten Teilgenehmigung ihres Einvernehmens bedurft hätte. Denn dieses Einvernehmen war weder erteilt noch ersetzt worden, obwohl dies deshalb eine Genehmigungsvoraussetzung war, weil die für den Standort der Anlage bestehenden Bebauungspläne unwirksam waren. Zugunsten der Klage des benachbarten Obstbauern wirkte sich auch aus, dass es an hinreichenden Festlegungen zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen fehlte, weil der Vorbescheid nicht zugunsten des Vorhabens wirkt. Die vereinzelt verschärfenden Neuregelungen der dritten Teilgenehmigung blieben nämlich vor diesem Hintergrund isoliert und lückenhaft.

Soweit die Klagen über ihren Teilerfolg hinausgehend auf eine Aufhebung der dritten Teilgenehmigung zielten, sind sie abgewiesen worden. Denn es kommt in Betracht, die Mängel des Genehmigungsverfahrens in einem ergänzenden Verfahren zu beheben.

Revisionen an das Bundesverwaltungsgericht hat der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssachen zugelassen.