Meldebescheinigung als unbestreitbare Information über einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis in Deutschland nicht anerkannt werden muss, wenn sich aus einer aus dem Ausstellermitgliedstaat beigebrachten Meldebescheinigung ergibt, dass der Inhaber dieser Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung dort nicht seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.

Die Klägerin, der die deutsche Fahrerlaubnis entzogen und die danach in Deutschland mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden war, erwarb im August 2004 eine Fahrerlaubnis der Klasse B in Polen; im Führerschein ist ein polnischer Wohnsitz eingetragen. Die Beklagte erkannte ihr im März 2006 das Recht ab, von dieser Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, da sie ein angefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hatte; der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Ihre Klage hat das Verwaltungsgericht Magdeburg abgewiesen, soweit sie gegen die Aberkennung gerichtet war. Auf ihre Berufung hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt diese Entscheidung geändert und die Aberkennungsentscheidung aufgehoben. Die in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis müsse nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dann nicht anerkannt werden, wenn sich aus dem Führerschein oder sonstigen aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergebe, dass sie unter Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat erteilt worden sei. Die Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes setze voraus, dass der Betroffene im Laufe eines Kalenderjahres an mindestens 185 Tagen im jeweiligen Mitgliedstaat wohne; dieser Zeitraum müsse jedoch nicht schon zum Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung verstrichen sein. Hier ergebe sich aus der während des Gerichtsverfahrens aus Polen eingeholten Meldebescheinigung zwar nur ein Aufenthalt von 92 Tagen; es sei aber möglich, dass die Klägerin sich länger in Polen aufgehalten habe. Somit enthalte diese Meldebescheinigung keine unbestreitbaren Informationen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert. Es bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, ob die in der EU-Führerscheinrichtlinie genannten 185 Tage bei Erteilung der Fahrerlaubnis bereits abgelaufen sein müssen, damit dem unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernis genügt ist. Hier ergab sich aus der am 9. Juni 2004 ausgestellten polnischen Meldebescheinigung ein nur vorübergehender Aufenthalt der Klägerin vom 9. Juni 2004 bis zum 8. September 2004. Die bloße Möglichkeit, dass sich die Klägerin – ohne Anmeldung – auch länger in Polen aufgehalten haben könnte, genügt nicht, um die Unbestreitbarkeit der vom Ausstellermitgliedstaat bescheinigten Aufenthaltsdauer in Frage zu stellen. Anhaltspunkte für einen längeren Aufenthalt in Polen mit den nach der EU-Führerscheinrichtlinie für die Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes erforderlichen persönlichen/beruflichen Bindungen ließen sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.

BVerwG 3 C 18.12 – Urteil vom 30. Mai 2013

Vorinstanzen:
OVG Magdeburg 3 L 56/09 – Urteil vom 14. März 2013
VG Magdeburg 1 A 88/08 – Urteil vom 19. Januar 2009