Oberverwaltungsgericht setzt Betretungsbeschränkungen für den Lebensmittel-Einzelhandel teilweise vorläufig außer Vollzug

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2020 hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes einem Normenkontroll-Eilantrag eines Betreibers eines Lebensmittel-Einzelhandelsbetriebes auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stattgegeben, soweit diese Vorschrift ab einer 800 qm übersteigenden Fläche den Zutritt für den Lebensmittel-Einzelhandel auf eine Person pro 20 qm beschränkt (Aktenzeichen 2 B 362/20). Die einschlägige Regelung in der aktuellen Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 VO-CP lautet: „Die Betreiber oder sonstigen Verantwortlichen sämtlicher nach dieser Verordnung nicht untersagten Einrichtungen, Anlagen und Betriebe sind verpflichtet, die Gesamtzahl der gleichzeitig anwesenden Kunden und Besucher dergestalt zu begrenzen, dass bis zu einer dem Publikumsverkehr zugänglichen Gesamtfläche von bis zu 800 qm pro 10 qm nur eine Person Zutritt hat und ab einer 800 qm übersteigenden Fläche pro 20 qm.“

Der Antragsteller hat geltend gemacht, die Regelung verstoße gegen das Gebot der Bestimmtheit von Normen. Es bleibe insbesondere unklar, welche Flächen „dem Publikumsverkehr zugänglich“ und schließlich „in die Gesamtfläche“ des Betriebes einzurechnen seien. Die verschärften Zutrittsbeschränkungen seien darüber hinaus zur Erreichung der infektionsschutzrechtlich legitimen Ziele des Verordnungsgebers nicht erforderlich. Die Zunahme von Warteschlangen vor Betrieben mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 qm schaffe neue Kontakt- und Übertragungsmöglichkeiten, wodurch zusätzliche Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung hervorgerufen würden. Bei einem Wegfall der 800 qm-Regelung drohe keine grundsätzliche Gefährdung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, weil die bisherigen Regelungen zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes fortbestünden.

Nach Auffassung des Gerichts verstößt die angegriffene Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gegen das Gebot der Bestimmtheit von Normen. Eine Vorschrift müsse in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten könnten. Diesen Anforderungen genüge § 4 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung nicht, weil sie offen lasse, welche Flächen unter dem Begriff „dem Publikumsverkehr zugänglichen Gesamtfläche“ für die Berechnung der 800 qm-Schwelle maßgeblich sind. Darüber hinaus bleibe unklar, ob eine Aufspaltung der Gesamtverkaufsfläche in unterschiedliche Obergrenzen bezüglich der zulässigen Personenzahl pro qm zu erfolgen habe oder ob nur die Gesamtfläche für die Betretungsbeschränkung maßgeblich sein soll. Die Beantwortung dieser Fragen erschließe sich in hinreichender Weise weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Begründung des Verordnungsgebers. Ungeachtet dessen sei zweifelhaft, ob die Regelung für Lebensmittel-Einzelhandelsbetriebe zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erforderlich sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Verordnungsgeber für kleine Betriebe eine Kundenbegrenzung mittels der 10 qm-Regel für ausreichend halte, während er für größere Betriebe strengere Zutrittsbeschränkungen für erforderlich erachte. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass bei Streichung der 800 qm-Regelung das Schutzgut der Gesundheit der Bevölkerung nicht schwerwiegend berührt werde, da die in der Vorschrift vorgesehene grundsätzliche Zutrittsbeschränkung auf einen Kunden je 10 qm Fläche nach wie vor ebenso wie das Abstandsgebot, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und die Hygienekonzepte Geltung beanspruchen würden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.