Thüringer Oberverwaltungsgericht bestätigt Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung des Nordhäuser Oberbürgermeisters

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 29. April 2024 die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 26. Juli 2023 zurückgewiesen, durch den die vorläufige Dienstenthebung des Oberbürgermeisters der Stadt Nordhausen ausgesetzt worden war.

Der Antragsteller ist seit Oktober 2017 Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen. Die erste Amtszeit endete im Oktober 2023. Bei der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2023 wurde er im zweiten Wahlgang wiedergewählt.

Die Stadt Nordhausen, vertreten durch den Landrat des Landkreises Nordhausen, leitete durch Verfügung vom 19. Mai 2022 gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren ein, das in der Folgezeit durch sieben Erweiterungsverfügungen auf insgesamt 16 Vorwürfe ausgedehnt wurde. Außerdem wurde hinsichtlich zwei der Vorwürfe (Nr. 15 und 16) gegen den Antragsteller Strafanzeige erstattet. Durch Verfügung vom 31. März 2023 wurde der Antragsteller vorläufig des Dienstes enthoben.

Der Antragsteller hat im Mai 2023 beim Verwaltungsgericht Meiningen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers durch Beschluss vom 26. Juli 2023 ausgesetzt, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Disziplinarverfahren zu einer Entfernung des Antragsstellers aus dem Beamtenverhältnis führen werde. Die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe (Vorwürfe 1 bis 15) seien überwiegend nicht substantiiert oder nicht ausreichend ermittelt. Soweit in einzelnen Punkten ein Fehlverhalten naheliege, werde ein Disziplinarverfahren voraussichtlich nicht zur Entfernung aus dem Dienst führen. Die vorläufige Dienstenthebung könne nach dem bisherigen Ergebnis auch nicht darauf gestützt werden, dass bei einem Verbleib des Antragstellers im Dienst eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs oder eine wesentliche Beeinträchtigung der Ermittlungen drohe.

Die Stadt Nordhausen hat gegen den Beschluss Beschwerde zum Thüringer Oberverwaltungsgericht erhoben. Mit Beschluss vom 17. August 2023 (Aktenzeichen 8 DO 415/23) hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht den Antrag der Stadt Nordhausen abgelehnt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Wege einer Zwischenverfügung (zunächst) bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens auszusetzen (vgl. Pressemeldung des Gerichts Nr. 03/2023 vom 22.08.2023).

Nun hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 29. April 2024 die Beschwerde der Stadt Nordhausen (vertreten durch den Landrat) zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen bestätigt.

Zur Begründung hat der zuständige Disziplinarsenat ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung des erweiternden und sehr umfangreichen Beschwerdevorbringens ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen. Wie schon vom Verwaltungsgericht festgestellt, weise die Suspendierungsverfügung deutliche Mängel auf, weil darin dem Antragsteller einige Handlungen zur Last gelegt würden, die auf unzureichend ermittelter Grundlage beruhten oder denen eine disziplinare Bedeutung beigemessen werde, die sie bei der gebotenen objektivierten Betrachtung nicht hätten.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen einer entfernungsvorbereitenden Dienstenthebung (§ 42 Abs. 1 Satz 1 ThürDG) vorlägen. Zwar spreche einiges dafür, dass der Antragsteller seine dienstlichen Pflichten teilweise verletzt habe. Allerdings sei nach dem gegenwärtigen Stand nicht festzustellen, dass im Disziplinarverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu verhängen sein werde.

Im Rahmen der summarischen Prüfung sei festzustellen, dass der Antragsteller die Bürgermeisterin über Gebühr unter Leistungsdruck gesetzt und ihr gegenüber häufig eine unangemessene, respektlose und herabsetzende Ausdrucksweise gewählt habe. Unzufriedenheit mit den fachlichen Leistungen eines Untergebenen oder dessen Dienstauffassung könnten für einen Vorgesetzten Anlass sein, Anleitung zu geben und sachliche Kritik zu üben. Sie erlaubten jedoch keine unangemessenen und respektlosen Äußerungen mündlicher oder schriftlicher Art. Ein Oberbürgermeister müsse als vorbildlicher, sachlich korrekter und wohlwollender Vorgesetzter auftreten und sich eines angemessenen Umgangstones befleißigen. Zu Gunsten des Antragstellers sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Dienstausübung der Bürgermeisterin ihrerseits Anlass zu Kritik geboten habe. Ferner sei dem Antragsteller zugute zu halten, dass er nach seiner Rückkehr in den Dienst bekundet habe, sein Verhalten künftig zu ändern. Bei den weiteren Vorwürfen, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, habe sich im Beschwerdeverfahren erwiesen, dass sie entweder nicht zu berücksichtigen oder weniger gewichtig seien. Der zuletzt erhobene Vorwurf (Vorwurf 16), der auch zu einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft geführt habe, sei aus formalen Gründen bei der vorläufigen Dienstenthebung nicht zu berücksichtigen; außerdem lasse der jetzige Stand der Ermittlungen hierzu noch keine ausreichende Prognose über Art und Ausmaß der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung zu. Daher sei eine Entfernung aus dem Dienst im weiteren Disziplinarverfahren nicht überwiegend wahrscheinlich.

Die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung wegen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs (§ 42 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 ThürDG) seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe sein nachdrückliches Bemühen bekundet, seinen Führungsstil zu verbessern. Die Antragsgegnerin habe nicht darlegen können, dass der Antragsteller sein repressives Verhalten gegenüber der Bürgermeisterin fortgesetzt habe; vielmehr habe er sich rechtmäßig verhalten.

Die vorläufige Dienstenthebung könne auch nicht auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Ermittlungen (§ 42 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 ThürDG) gestützt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Versuche unternommen hätte, die Ermittlungen durch die Disziplinarbehörde nachhaltig zu erschweren. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt, welche Ermittlungsmaßnahmen zu welchen Vorwürfen inzwischen durchgeführt worden seien, welche sie noch konkret beabsichtige und inwiefern diese Maßnahmen durch die Dienstausübung des Antragstellers gefährdet werden könnten.

Der Beschluss ist unanfechtbar.