Verwaltungsgericht suspendiert Versammlungsverbote für zwei Gegendemonstrationen

Die für das Versammlungsrecht zuständige 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Kassel hat mit Beschlüssen vom gestrigen Abend zwei weiteren Eilanträgen von Antragstellern gegen Versammlungsverbote der Stadt Kassel für Samstag, den 20. März 2021, stattgegeben.

Die Antragsteller meldeten bei der Stadt Kassel Versammlungen zum Thema „Ausgeschwurbelt“ sowie „Haltung zeigen für unsere Demokratie“ für den Bereich Opernplatz bzw. Frankfurter Straße/Höhe Amtsgericht an. Die Stadt Kassel verbot beide Versammlungen mit Verfügungen vom 16. März 2021. Zur Begründung führte sie aus, angesichts der steigenden Corona-Virus-Infektionen müsse zum Schutz des Grundrechts auf Leben und Gesundheit das Recht der Antragsteller auf Versammlungsfreiheit zurücktreten.

Hiergegen erhoben die Antragsteller jeweils Widerspruch bei der Stadt Kassel und stellten zugleich beim Verwaltungsgericht Kassel Eilanträge.

Die Kammer gab den Eilanträgen statt. Die Versammlungsverbote seien offensichtlich rechtswidrig. Die Stadt Kassel habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Versammlungsfreiheit verkannt. Grundsätzlich könnten zwar Gefahren, die von einem erhöhten Infektionsrisiko ausgingen, geeignet sein, ein Versammlungsverbot zu rechtfertigen. Dies sei aber nur in Extremsituationen zulässig. Eine solche sei nicht anzunehmen. Derzeit bestehe keine akute Gefahr für eine Überforderung des Gesundheitssystems. In Hessen sei der Inzidenzwert inzwischen zwar auf 100 angestiegen. Damit allein sei aber nicht die Feststellung verbunden, dass bei einer Überschreitung jegliche Versammlungen ausgeschlossen wären. Die Zahl der Verstorbenen sei massiv zurückgegangen. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass die Verbote sich auch an Personen richteten, von denen weder objektiv noch dem Anschein nach eine Gefahr oder der tragfähige Verdacht einer Gefahrverursachung im Sinne einer Verbreitung für das Corona-Virus ausgehe.

Überdies sei zu beachten, dass die Infektionsgefahr durch andere Maßnahmen soweit reduziert werden könne, dass sich ein Totalverbot als unverhältnismäßig erweise. Als mildere Maßnahmen gegenüber einem Verbot könnten zum Beispiel Auflagen zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, dem Einhalten von Mindestabständen und der räumlichen Trennung der verschiedenen Demonstrationen erfolgen. Dass dies erfolglos bleibe, sei nicht dargelegt. Es sei gerade im Falle der Gegendemonstranten zu den eigentlichen Coronaversammlungen nicht im Ansatz dargetan, dass auch nur der Verdacht dafür bestünde, die Teilnehmer würden sich an entsprechende Auflagen nicht halten. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass es an ausreichenden Polizeikräften zur Sicherstellung der Einhaltung von Auflagen, insbesondere einer räumlichen Trennung fehle, zumal für diese Demonstrationen nur 200 bzw. 50 Teilnehmer angekündigt worden seien.