Verwaltungsgericht untersagt Protestaufruf des Landkreises Göttingen

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat mit Beschluss vom heutigen Tage einem einstweiligen Rechtsschutzantrag der NPD, Kreisverband Eichsfeld, stattgegeben, mit dem die Partei erreichen wollte, dass der Landkreis Göttingen einen Eintrag auf seiner Homepage entfernt (1 B 462/18).

Der Landkreis Göttingen hat auf seiner Homepage am 20.08.2018 folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

„Interfraktionellen Antrag beschlossen Solidarisch gegen sogenannten Eichsfeldtag“.

Der Kreisausschuss ruft nach einem Beschluss in der letzten Sitzung die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Göttingen auf, sich an den Protestaktionen gegen den sogenannten „Eichsfeldtag“ der NPD am 01.09.2018 in Leinefelde zu beteiligen. Mit einem überparteilichen Antrag haben sich die Gruppe SPD/ Die Grünen/ FWLG, die Gruppe Die Linke/ Piraten/ Partei sowie die Fraktionen von CDU und FDP dazu geäußert: „Leinefelde liegt keine 35 Kilometer Luftlinie und keine Stunde Fahrzeit von Göttingen entfernt. Mit Bedauern stellen wir fest, dass jetzt rechtsextreme Kreise wieder umfangreich mobilisieren und versuchen, diese rechtsextreme Veranstaltung als familienfreundliches Event zu tarnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese gewaltbereite rechtsextreme Szene wieder in unserer Region stärker Fuß fasst!“ Der Kreisausschuss des Landkreises Göttingen bittet daher seine Einwohnerinnen und Einwohner, das örtliche Bündnis bei den Protestaktionen gegen diese Veranstaltung zu unterstützen.”

Hiergegen suchte der NPD Kreisverband Eichsfeld nach erfolgloser Abmahnung des Landkreises vor Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nach. Er wollte den Landkreis Göttingen im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet wissen, folgende Passagen von der Homepage zu entfernen:

„Der Kreisausschuss ruft nach einem Beschluss in der letzten Sitzung die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Göttingen auf, sich an den Protestaktionen gegen den sogenannten „Eichsfeldtag“ der NPD am 01.09.2018 in Leinefelde zu beteiligen.” Sowie:

„Der Kreisausschuss des Landkreises Göttingen bittet daher seine Einwohnerinnen und Einwohner, das örtliche Bündnis bei den Protestaktionen gegen diese Veranstaltung zu unterstützen.”

Zur Begründung machte die NPD im Wesentlichen geltend, der Landkreis verletze seine politische Neutralitätspflicht und missbrauche seine Veröffentlichungsmöglichkeiten.

Diesem Antrag hat das Gericht mit Beschluss von heute stattgegeben. Zur Begründung gab es im Wesentlichen an, dem Landkreis Göttingen fehle die Verbandskompetenz für einen solchen Aufruf. Für einen politischen Aufruf zu einem Sachverhalt, der den Landkreis nicht in seinem eigenen, örtlichen Wirkungskreis betreffe, sei der Landkreis nicht zuständig. Zum anderen sah das Gericht einen Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot gegenüber politischen Parteien. Das gelte auch gegenüber einem Kreisverband der NPD. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – festgestellt, dass die NPD die Grundprinzipien missachte, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar seien. Wie das Bundesverfassungsgericht jedoch ebenfalls ausgeführt hat, sei bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin ausgeschlossen, möge diese sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch noch so feindlich verhalten. Die Partei dürfe zwar politisch bekämpft werden, solle aber in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein. Abschließend wies das Gericht darauf hin, dass die im Kreisausschuss des Landkreises Göttingen vertretenen Politikerinnen und Politiker durch das Neutralitätsgebot nicht darin beschränkt seien, sich außerhalb ihres öffentlichen Amtes gegen die geplante Versammlung der Antragsgegnerin zu engagieren.

Gegen den Beschluss kann der Landkreis Göttingen innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Nds.Oberwaltungsgericht in Lüneburg einlegen.