Yezidische Familien aus der irakischen Provinz Ninive dürfen in die autonome Region Kurdistan-Irak abgeschoben werden, soweit nicht Einzelumstände entgegenstehen

Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Urteilen vom 24. September 2019 (Az. 9 LB 137/19 und 9 LB 136/19) seine Rechtsprechung bestätigt, dass irakischen Staatsangehörigen kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit aus dem Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive im Falle ihrer Rückkehr in die Herkunftsregion keine Gruppenverfolgung (mehr) droht. Er hat in den beiden verhandelten Fällen yezidischer Familien mit minderjährigen Kindern und arbeitsfähigen Familienvätern außerdem entschieden, dass sie keinen Anspruch auf die Gewährung des sog. subsidiären Schutzes haben und dass ihrer Abschiebung in die autonome Region Kurdistan-Irak keine zwingenden Gründe entgegenstehen.

Die erstinstanzliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu dieser Frage ist bisher unterschiedlich. Das Verwaltungsgericht Hannover hatte mit seinen angegriffenen Urteilen den yezidischen Familien unter Annahme einer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz Ninive die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte dies zuvor gegenüber beiden Familien abgelehnt und auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf den sog. subsidiären Schutz sowie auf Abschiebungsschutz nach den maßgeblichen nationalen Vorschriften als nicht gegeben angesehen. Auf Antrag des BAMF hat der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts in beiden Verfahren die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit den Berufungsurteilen hat der 9. Senat nach persönlicher Anhörung der Kläger die Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Das Gericht hat daran festgehalten, dass unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse zur Sicherheitslage in dem Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive im Nordirak eine Gruppenverfolgung von Yeziden nach der militärischen Zurückdrängung des Islamischen Staates derzeit nicht hinreichend wahrscheinlich ist (hierzu bereits zwei Urteile vom 30. Juli 2019, Az. 9 LB 133/19 und 148/19). Den sog. subsidiären Schutz können die Kläger nach Auffassung des Gerichts ebenfalls nicht beanspruchen, weil die Voraussetzungen hierfür angesichts der aktuellen Lage im Distrikt Sindjar nicht gegeben sind. Abschiebungsverbote nach nationalem Recht konnte der 9. Senat auch unter besonderer Berücksichtigung der Situation von yezidischen Familien mit minderjährigen Kindern nicht bejahen. Dabei kam es nicht auf die heutige Situation im Sindjar an, sondern darauf, ob einer Abschiebung der Kläger in die autonome Region Kurdistan-Irak aktuell zwingende Gründe entgegenstehen, da eine Rückkehr der Kläger dorthin zu erwarten ist. Solche zwingenden Gründe konnte der Senat bei Bewertung aller derzeit bekannten Umstände und verfügbaren Erkenntnisse angesichts der im Landesvergleich deutlich besseren Sicherheitslage in Kurdistan-Irak sowie trotz der auch dort angespannten humanitären Verhältnisse nicht feststellen. Dabei geht der Senat davon aus, dass auch die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern in Kurdistan-Irak nicht die Annahme rechtfertigen, alle Bewohner würden dort dem Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt. Beide Familien hatten sich bereits vor ihrer Ausreise für einen längeren Zeitraum in Kurdistan-Irak aufgehalten.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der 9. Senat jeweils nicht zugelassen.