Bebauungsplan „Silbersee – Teilbereich Scharrau/Badestrand“ der Gemeinde Bobenheim-Roxheim unwirksam

Der Bebauungsplan der Gemeinde Bobenheim-Roxheim „Silbersee – Teilbereich Scharrau/Badestrand“, mit dem ein Teilbereich des im Außenbereich der Gemeinde gelegenen Silbersees überplant wird, ist unwirksam. Dies entschied das Oberverwal­tungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem heute verkündeten Urteil.

Der Silbersee ist ein künstliches, seit den 1930-er Jahren durch Auskiesung in einer ehemaligen Rheinschleife entstandenes Gewässer; der gesamte See sowie Teile der unmittelbar angrenzenden Landflächen sind in einem europäischen Vogelschutzgebiet sowie teilweise in einem FFH-Gebiet gelegen. Mit dem genannten Bebauungsplan sollen die planerischen Grundlagen für künftige bauliche und sonstige Nutzungs­möglichkeiten nach der sich abzeichnenden Beendigung der Kiesgewinnung geschaf­fen werden, u. a. für den Neubau eines Hotels mit 120 Zimmern auf der Halbinsel Scharrau, eines Gastronomiegebäudes am Badestrand am Südufer sowie von bau­lichen Anlagen für den Wassersport, jeweils mit Zuwegungen und Parkplätzen. Eine im Planaufstellungsverfahren durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass die Schutzgüter des Vogelschutz- und des FFH-Gebietes unter Berück­sichtigung empfohlener Schutzmaßnahmen nicht erheblich beeinträchtigt würden.

Der Landesverband Rheinland-Pfalz des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) stellte gegen den genannten Bebauungsplan einen Normenkontrollantrag mit dem Ziel, diesen für unwirksam zu erklären. Er machte im Wesentlichen geltend, der Vollzug des Bebauungsplans führe zu erheblichen Beeinträchtigungen sowohl des Vogelschutz­gebietes als auch des FFH-Gebietes; die Störwirkungen der ermöglichten baulichen, verkehrlichen und touristischen Nutzungen seien erheblich unterschätzt worden. Der Bebauungsplan sei auch mit dem Artenschutzrecht im Hinblick auf Amphibien und Reptilien nicht vereinbar. Die Antragsgegnerin wandte demgegenüber insbesondere ein, es müssten auch die positiven Auswirkungen der Stilllegung des Kieswerks und weiterer, unabhängig vom Bebauungsplan durchgeführter oder geplanter Schutz­maßnahmen berücksichtigt werden.

Das Oberverwaltungsgericht gab dem Normenkontrollantrag statt und erklärte den Bebauungsplan für unwirksam. Entgegen der Einschätzung der im Planaufstellungs­verfahren erstellten Verträglichkeitsuntersuchung könne nicht mit dem europarechtlich gebotenen Maßstab der Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die durch den Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen zu erheblichen Beeinträchtigungen des Europäischen Vogelschutzgebietes führen werden. In der Verträglichkeitsprüfung seien jedenfalls die mittelbaren Störwirkungen der zugelassenen baulichen und touristischen Nutzungen in den landesweit bedeutsamen Lebensräumen der streng geschützten Vogelarten unzureichend untersucht bzw. in ihrem Ausmaß unterschätzt worden. Von entscheidender Bedeutung sei insoweit die Zunahme von Störungen, die aufgrund der zugelassenen Hotel-, Gastronomie- und sonstigen Freizeitnutzungen in dem durch ähn­liche Störungen bereits stark vorbelasteten Schutzgebiet zusätzlich zu erwarten seien. Dies betreffe namentlich planbedingte Störungen durch zusätzliche Nutzer des Rund­wegs um den Silbersee, der nahe an besonders sensiblen Bereichen des Ostufers des Silbersees und des Hinteren Roxheimer Altrheins vorbeführe. Nach einer im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens von der Antragsgegnerin vorgelegten ergänzenden Unter­suchung sei allein in der Wintersaison mit einer Minderung der Lebensqualität für Rast- und Wintervögel durch planbedingte Störungen in einem Ausmaß zu rechnen, das im ungünstigsten Fall einer direkten Inanspruchnahme von 12,74 ha der Lebensstätten­flächen entspreche. Dies werde von den Gutachtern für sich genommen als eine erheb­liche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets bewertet. Ob es darüber hinaus auch in der Sommersaison zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Brutvögeln komme, sei zu Unrecht nicht untersucht worden.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin werde die von ihr selbst bejahte erheb­liche Störwirkung schon für die Rast- und Wintervögel nicht durch Positiveffekte infolge der Beendigung des Kieswerkbetriebs aufgewogen. Denn die Verträglichkeits­prüfung beruhe auf einem Vergleich zwischen dem Umweltzustand, der bei Verwirk­lichung der im Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen zu erwarten sei, mit dem Zustand, der ohne die Verwirklichung des Plans bestehen werde. Bei diesem Vergleich könnten die sich durch die Einstellung des Kieswerkbetriebs ergebenden Ver­besserungen des Umweltzustands am Silbersee nicht zum Ausgleich der bei Verwirk­lichung des Bebau­ungsplans hinzukommenden erheblichen Störwirkungen angerechnet werden. Denn der Bebauungsplan sei gerade für die Zeit nach Beendigung des Kies­werkbetriebs auf­gestellt worden. Positive Wirkungen, die unabhängig vom Bebau­ungsplan „sowieso“ eintreten würden oder – wie bei der „Ochsenlache“ – schon ein­getreten seien, könnten dem Bebauungsplan nicht zugutegehalten werden. Dies widerspräche den Vorgaben für die bauleitplanerische Umweltprüfung nach Anlage 1 zum BauGB. Danach sei die voraussichtliche – eventuell auch positive – Entwicklung des Umweltzustands bei Nicht­durchführung der Planung im Rahmen der Bestandsaufnahme des vorherigen Umwelt­zustands (Basisszenario) zu berücksichtigen und nicht bei der Prognose zur Entwick­lung des Umweltzustands bei Durchführung der Planung.

Der Verstoß gegen die Anforderungen des europäischen Vogelgebietsschutzrechts führe bereits zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Ob der Bebauungsplan im Übrigen mit höherrangigem Recht, etwa mit dem FFH-Gebietsschutz- und dem Arten­schutzrecht, im Einklang stehe, könne danach offenbleiben.