Die Nutzung der A39 für die am 23. April 2023 geplante Fahrraddemonstration konnte durch die Hansestadt Lüneburg beschränkt werden

Der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 22. April 2023 (Az.: 10 ME 56/23) auf die Beschwerde der Hansestadt Lüneburg die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 21. April 2023 (Az.: 5 B 71/23) geändert und den Eilantrag der Antragstellerin gegen die Änderung der Route der für den 23. April 2023 geplanten Fahrraddemonstration auf der Bundesautobahn 39 (A39) abgelehnt.

Die Antragstellerin hatte für den 23. April 2023 eine Fahrraddemonstration angemeldet, die unter anderem auch auf der A39 ab der Anschlussstelle Lüneburg/Nord bis zur Höhe des Bahnhofs in Bardowick verlaufen sollte. Am 23. März 2023 beschränkte die Hansestadt Lüneburg die Nutzung der A39 für die Fahrraddemonstration auf ein Teilstück der A39 zwischen der Anschlussstelle B 4/Lüner Kreisel und der Anschlussstelle Lüneburg/Nord. Dem hiergegen gerichteten Eilantrag der Antragstellerin gab das Verwaltungsgericht Lüneburg am 4. April 2023 statt und damit auch das weitere Befahren der A39 ab der Anschlussstelle Lüneburg/Nord frei. Am 20. April 2023 beschränkte die Hansestadt erneut die Route der Fahrraddemonstration auf das Teilstück bis zur Anschlussstelle Lüneburg/Nord und berief sich dabei auf eine neue Gefahrenprognose. Auch dem hiergegen gerichteten Eilantrag gab das Verwaltungsgericht am 21. April 2023 statt, weil die Hansestadt mit der erneuten Beschränkung die Bindungswirkung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2023 umgehen würde.

Dieser Auffassung ist der 10. Senat nicht gefolgt. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer – wie hier – gefahrenabwehrrechtlichen Anordnung komme es auf die Umstände an, die von der Behörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung berücksichtigt worden seien. Die Hansestadt habe unter anderem mit der Sperrung von Teilstrecken der A1 und der A25 am 23. April 2023 und deren Folgen bei ihrer erneuten Anordnung wesentlich neue Tatsachen berücksichtigt und damit eine neue Gefahrenprognose erstellt, die nicht Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2023 gewesen und daher auch nicht von der Bindungswirkung des Beschlusses umfasst ist. Die neue Gefahrenprognose rechtfertige auch die von der Hansestadt verfügte Änderung des Routenverlaufs. Zwar stehe der öffentliche Straßenraum grundsätzlich für die Durchführung von Versammlungen zur Verfügung, weil dort die Möglichkeit eines allgemeinen kommunikativen Verkehrs eröffnet sei. Bundesautobahnen seien jedoch keine solche öffentlichen Kommunikationsräume. Vielmehr seien sie nach dem Gesetz, ihrer Widmung sowie den äußeren und tatsächlichen Umständen grundsätzlich nur für begrenzte Zwecke, nämlich den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen zugänglich. In Anbetracht der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit könne allerdings dennoch in eng begrenzten Ausnahmefällen auch eine Nutzung von Autobahnen zu Demonstrationszwecken in Betracht kommen, wenn dies für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit unabdinglich sei und den Gefahren, die von einer solchen Versammlung ausgingen, ausreichend begegnet werden könne. Hier sei ein solcher Ausnahmefall aber nicht gegeben. Zwar bestehe mit dem Thema der Versammlung „Protest gegen den Ausbau und bereits bestehende Abschnitte der A39“ ein konkreter Bezug zu der gewünschten Route. Jedoch habe die Hansestadt zu Recht angenommen, dass eine Fahrraddemonstration auf der A39 ab der Anschlussstelle Lüneburg/Nord bis zur Höhe des Bahnhofs Bardowick, gerade auch unter Berücksichtigung des infolge der Sperrungen von Teilstrecken der A1 und A25 erhöhten Verkehrsaufkommens auch auf der A39, den Verkehr über einen relativ langen Zeitraum von ca. 6 Stunden erheblich beeinträchtigen würde und dieser Beeinträchtigung nicht in ausreichendem Maße durch Umleitungsstrecken und Verkehrslenkungskonzepte begegnet werden könne. Dadurch würde sich insbesondere die Gefahr von Verkehrsunfällen deutlich erhöhen. Mit der Alternativroute habe die Hansestadt zudem einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und den Rechten Dritter sowie den betroffenen öffentlichen Belangen hergestellt. Denn auch die von der Hansestadt festgelegte Route führe, der Antragstellerin und den Versammlungsteilnehmern erheblich entgegenkommend, über ein Teilstück der A39 und sei im Übrigen auch Gegenstand des geplanten Ausbaus der A39, so dass das von der Versammlung verfolgte Anliegen in ausreichend öffentlichkeitswirksamer Weise auch auf der alternativen Route verwirklicht werden könne.

Der Beschluss des Senats ist nicht anfechtbar.