Einreiseverweigerung an deutsch-französischer Grenze zu Beginn der Corona-Pandemie rechtmäßig

Die gegenüber einem französischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Frankreich mündlich verfügte Einreiseverweigerung an der deutsch-französischen Grenze als Reaktion auf die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Bundesgebiet im Frühjahr 2020 war rechtmäßig. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Am 15. März 2020 beschloss das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) angesichts der Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Bundesgebiet unter ande­rem, an der Landgrenze zu Frankreich vorübergehend Binnengrenzkontrollen und Ein­reisebeschränkungen für nicht erforderliche Reisen aus Frankreich einzuführen. Als der Kläger, ein französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Frankreich, am 2. Mai 2020 in das Bundesgebiet einreisen wollte, um in einem Supermarkt einzukaufen, verweiger­ten ihm Polizeibeamte der Bundespolizeidirektion Koblenz mündlich die Einreise. Mit seiner daraufhin erhobenen Klage begehrte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einreiseverweigerung. Zur Begründung hat er insbesondere geltend gemacht, die ihm gegenüber alleine aufgrund des Fehlens eines dringenden Einreisegrundes ausgespro­chene Einreiseverweigerung sei mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig gewesen. Zudem habe sie gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot versto­ßen, da ihm die Einreise allein aufgrund seiner französischen Staatsangehörigkeit ver­weigert worden sei. Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage ab. Das Oberver­waltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung des Klägers zurück.

Die am 2. Mai 2020 gegenüber dem Kläger mündlich verfügte Einreiseverweigerung sei rechtmäßig gewesen. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU –), wonach aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die Einreise verweigert werden könne, aus Gründen der öffentlichen Gesundheit allerdings nur dann, wenn es sich um Krankheiten mit epidemi­schem Potenzial handele. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei COVID-19 um eine Krankheit mit epidemischem Potenzial handele, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit aufgrund der weiteren Ausbreitung begründet habe und die ausgesprochene Einreiseverweigerung damals verhältnismäßig gewesen sei. Der Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheits­versorgung der Bevölkerung habe damals nur dadurch begegnet werden können, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leich­ter bewältigbar zu machen. Gegen die Annahme, dass durch Einreisen aus Frankreich das oben aufgezeigte Risiko erhöht worden wäre, bestünden keinen Bedenken. Denn zum Zeitpunkt der Einreiseverweigerung sei die Infektionslage in Frankreich, insbeson­dere in dem an das Saarland unmittelbar angrenzenden Département Moselle, in dem der Wohnort des Klägers liege, besonders kritisch gewesen. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Einreiseverweigerung stelle auch keine unzulässige unionsrechts­widrige Diskriminierung aufgrund der französischen Staatsangehörigkeit dar. Der Euro­päische Gerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Diskrimi­nierung dann nicht vorliege, wenn eine differenzierende Behandlung objektiv gerecht­fertigt sei. Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen die Einreise aus Gründen der öffent­lichen Ordnung oder Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit verwehrt worden sei, und eigenen Staatsangehörigen müssten nicht die gleichen Maßnahmen entgegengehalten werden. Beide Fallgestaltungen seien nämlich nicht vergleichbar. Für die eigenen Staatsangehörigen sei das Einreiserecht eine Folge ihrer Stellung als Staatsangehö­rige, sodass es nicht im Ermessen des Staates stehe, die Ausübung dieses Rechts einzuschränken. Die Einreiseverweigerung genüge auch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Dabei sei zu berücksichtigen, dass damals eine erhebliche wissen­schaftliche und praktische Unsicherheit in Bezug auf die Eigenarten und Auswirkungen der pandemischen Situation wie auch den Effekt der beschlossenen Maßnahmen bestanden habe. Unter solchen Umständen sei einem Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen treffe, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargetan seien.