Polizei Rheinland-Pfalz muss keine Bewerber einstellen, deren Tätowierungen Zweifel an der Verfassungstreue begründen

Ein Bewerber, bei dem wegen des konkreten Inhalts und der Ausgestaltung seiner (nicht sichtbaren) Tätowierung Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen, hat keinen Anspruch auf Einstellung als Polizeibeamter. Dies entschied das Oberverwal­tungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilrechtsschutzverfahren.

Der Antragsteller bewarb sich Anfang des Jahres 2022 um die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeikommissar-Anwärter. Während des Einstel­lungsverfahrens wurde bekannt, dass auf dem Rücken des Antragstellers über die gesamte Schulterbreite die Worte „Loyalty“, „Honor“, „Respect“ und „Family“ in der Schriftart „Old English“ eintätowiert sind. Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz lehnte daraufhin eine Einstellung mit Verweis auf bestehende Zweifel an der charakter­lichen Eignung des Antragstellers für den Polizeidienst ab. In Schriftart, Dimension und Aussagegehalt ähnliche Tätowierungen würden von verschiedenen Rockergruppierun­gen verwendet. Es entstehe der Gesamteindruck, dass der Träger einer solchen Täto­wierung zu einem Ehrenkodex stehe, der sich mit den Werten einer modernen Bürger­polizei nicht in Einklang bringen lasse. Die daraufhin vom Antragsteller begehrte einst­weilige Anordnung auf vorläufige Einstellung in den Polizeidienst lehnte das Verwal­tungsgericht Trier ab. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde des Antragstellers zurück.

Die Hochschule der Polizei habe im Rahmen des ihr zukommenden Beurteilungsspiel­raums eine Einstellung des Antragstellers wegen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung ablehnen dürfen. Allerdings ergebe sich ein Pflichtverstoß heutzutage nicht generell aus dem Tragen einer Tätowierung als solcher. Vielmehr habe sich der Dienst­herr an den Anschauungen zu orientieren, die in der Gesellschaft herrschten und dürfe sich dem Wandel der Zeit nicht verschließen. Daher könne ein gesellschaftlich weit­gehend akzeptiertes Aussehen nicht schon allein deshalb untersagt werden, weil es der Dienstherr ungeachtet der gewandelten Verhältnisse weiterhin für unpassend, unästhe­tisch oder nicht schicklich halte. Erst recht lasse das Vorhandensein von Tätowierungen nicht (mehr) auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu schließen. Eine andere Beurteilung könne sich aber aus dem konkreten Inhalt und der Ausgestaltung der Täto­wierung ergeben, und zwar auch dann, wenn die Tätowierung nicht unmittelbar aus Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bestehe. Gerade für die Einstellung in den Polizeidienst seien hohe Anforderungen an die Gesetzestreue zu stellen, denn die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gehörten zu den Kernaufgaben eines Polizeibeamten. Daher dürfe der Dienstherr die Fähigkeit und innere Bereitschaft eines Bewerbers verlangen, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Ob der Antragsteller diese Bereitschaft aufweise, habe der Dienstherr bezweifeln dürfen. Bei der vorzunehmenden Gesamtschau sei mit einzustellen, dass das Schriftbild der Tätowierung in Gestalt der konkret gewählten Schriftart „Old English“ Ähnlichkeiten etwa zu dem Schriftzug der verfassungsfeindlichen und seit längerem in Deutschland verbotenen Gruppierung „blood and honour“ aufweise. Zudem finde die Wortwahl „Loyalty“, „Honor“, „Respect“ und „Family“ eine weitgehende Entsprechung in Inhalten der ebenfalls zwischenzeitlich zerschlagenen rechtsextremistischen Gruppierung „Oldschool Society“. Diese Umstände ebenso wie auch die Kombination von gewählter Schriftart und Inhalt der Tätowierung begründeten Zweifel daran, ob der Träger für die Wahrung der Freiheits­rechte der Bürger und die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln uneingeschränkt ein­stehe. Als lebensfremd stelle sich die vom Antragsteller zu der Tätowierung abgege­bene Erklärung dar, er habe die konkrete Schriftart „Old English“ unter anderem des­wegen ausgesucht, weil er sich privat für die Geschichte des „britischen Imperiums“ interessiere und er dort Verwandtschaft habe. Es stelle sich insbesondere die Frage, warum der Antragsteller sodann bei der Ausgestaltung seiner Tätowierung die ameri­kanische statt die englische Schreibweise („honor“ statt „honour“) gewählt habe. Eine Erklärung hierfür habe er auch im Beschwerdeverfahren nicht gegeben.