Göppinger Demonstrationsverbot: Beschwerde des Veranstalters beim VGH erfolgreich

05.10.2012

Das von der Stadt Göppingen (Antragsgegnerin) gegenüber dem Veranstalter (Antragsteller) unter Anordnung des Sofortvollzugs ausgesprochene Verbot für eine am 06.10.2012 in der Innenstadt geplante Demonstration unter dem Thema „Ausbeutung stoppen – Kapitalismus zerschlagen!“ ist rechtswidrig. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) mit einem heute bekannt gegebenen Beschluss entschieden. Er hat damit der Beschwerde des Veranstalters gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27.09.2012 stattgegeben, mit dem sein Eilantrag gegen das Demonstrationsverbot abgelehnt worden ist.
Der VGH hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die – mit Blick auf die grundrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) – strengen Voraussetzungen für ein Demonstrationsverbot nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG)¹ nicht erfüllt seien. Denn nach den Erkenntnissen im Eilverfahren läge die für ein Verbot erforderliche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht vor. Die von der Antragsgegnerin angestellte Gefahrenprognose erweise sich als nicht tragfähig. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Straftaten oder Gewalttätigkeiten aus der angemeldeten Versammlung selbst heraus erfolgten, habe die Antragsgegnerin nicht darlegen können. Es seien ferner keine konkreten Umstände dafür ersichtlich, dass die Polizei nicht in der Lage sei, die angemeldete Versammlung gegen Gegendemonstrationen zu sichern und ein mit Gewalttätigkeiten verbundenes Zusammentreffen – zum Beispiel durch räumliche Trennung der beiden Aufzüge – zu unterbinden.
Weiterhin könne die Antragsgegnerin mittels Auflagen zur Wegstrecke unzumutbare verkehrliche Beeinträchtigungen für Dritte minimieren, die Erreichbarkeit medizinischer Einrichtungen und die Durchführung des Weinfests gewährleisten. Ebenso könne sie auf diese Weise mögliche Verletzungen der öffentlichen Ordnung durch eine Wegstrecke, die weder entlang der sog. Stolpersteine noch über den Platz der ehemaligen Synagoge führe, verhindern. Der Antragsteller habe sich zu Modifikationen der Strecke des Aufzugs im Wege der Kooperation bereiterklärt.
Auch der Aufruf zur Versammlung rechtfertigte deren Verbot nicht. Denn ihm lasse sich nicht mit der gebotenen Gewissheit entnehmen, dass die Versammlung mit Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit einhergehen werde. Schließlich ergebe sich eine Gefahrenlage i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG auch nicht mehr aus der Person des während des Beschwerdeverfahrens neubenannten Versammlungsleiters.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 1 S 1984/12).

¹§ 15 Abs. 1 VersG lautet: Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.