Landesamt für Verfassungsschutz Hessen muss teilweise Auskunft aus NSU Berichten geben

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 2. Kammer dem Eilantrag eines Journalisten zum Teil stattgegeben und das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen verurteilt, zu beantworten, an wie vielen Stellen im Zwischenbericht zum NSU von 2013 und dem Abschlussbericht zum NSU von 2014 die Namen von Andreas Temme, Stephan Ernst und Benjamin Gärtner genannt werden.

Andreas Temme war zum Zeitpunkt des NSU-Mordes an Halit Yozgat Mitarbeiter bei dem Landesamt für Verfassungsschutz. Benjamin Gärtner war ein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz. Stephan Ernst gilt als Hauptverdächtiger im Mordfall Walter Lübcke.

Der Antragsteller beantragte beim Landesamt für Verfassungsschutz die Beantwortung mehrerer Fragen in Bezug auf die genannten Personen im Hinblick auf die NSU-Berichte von 2013 und 2014. Nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz das Auskunftsersuchen unter Hinweis auf Geheimhaltungsvorschriften zurückgewiesen hatte, suchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Wiesbaden um vorläufigen Rechtsschutz nach mit der Begründung, Hintergrund des Auskunftsbegehrens sei die Klärung der NSU-Morde und des Mordes am Regierungspräsidenten Lübcke. Die Berichterstattung diene auch dazu, weitere Morde durch Offenlegung des Unterstützungssystems des NSU zu verhindern. Der Presse käme hierbei eine besondere Bedeutung in einem freiheitlich-demokratischen Staatswesen zu.

Die Kammer verpflichtete das Landesamt für Verfassungsschutz nun im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller die Fragen zu beantworten, an wie vielen Stellen im Zwischenbericht zum NSU von 2013 und dem Abschlussbericht zum NSU von 2014 die Namen Andreas Temme, Benjamin Gärtner und Stephan Ernst genannt werden. Anspruchsgrundlage ist § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG, wonach Behörden verpflichtet sind, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Diese Fragen – so die Kammer – beträfen aktuelle Vorgänge, die zudem bereits Gegenstand öffentlicher Berichterstattung in den Medien gewesen seien. Die Berichterstattung über die NSU-Mordserie sei nach wie vor aktuell. Das Begehren des Antragstellers sei auf die Nennung einer Zahl gerichtet, die widerspiegele, wie häufig der jeweilige Name insgesamt genannt worden sei.

Ausschlussgründe seien nicht gegeben. So könne die Verschlusssachenanweisung (VSA) den Auskunftsanspruch aus dem Pressegesetz vorliegend nicht einschränken, da es sich lediglich um eine Verwaltungsvorschrift handele und nicht, wie vom Gesetzgeber für die Einschränkung des Auskunftsanspruchs der Presse gefordert, um ein Gesetz. Zwar könnten grundsätzlich Vorschriften über Geheimhaltung (zum Beispiel § 23 Abs. 1 Nr. 2 HVSG und § 30 HVwVfG) den presserechtlichen Auskunftsanspruch einschränken, jedoch sei die bloße formale Einordnung eines Vorgangs als geheim nicht dazu geeignet. Das Landesamt für Verfassungsschutz habe jedoch trotz Aufforderung des Gerichts nichts dazu vorgetragen, dass mit der Beantwortung dieser Fragen die Erfüllung der Aufgaben sowie die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden gefährdet sein könnte. Dem Gericht erschließe sich nicht, dass eine reine Auskunft über die Anzahl der Nennung der bestimmten Namen die Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz gefährden könnte.

Soweit der Antragsteller wissen möchte, was bei der Nennung der jeweiligen Namen stehe, laufe dies sinngemäß auf eine Einsichtnahme in die zugrunde liegenden Unterlagen hinaus. Die Form der Auskunftsgewährung durch Akteneinsicht sei von dem presserechtlichen Auskunftsanspruch jedoch grundsätzlich nicht umfasst. Im Übrigen sei zu beachten, dass bei Auskunftsansprüchen gegen den Verfassungsschutz aus der Natur der Sache wegen Geheimhaltungspflichten hohe Maßstäbe angelegt werden müssten.

Soweit der Antragsteller Auskunft haben wolle, wie oft die jeweiligen Namen zusammen genannt bzw. in Verbindung gebracht worden sind, welche Erkenntnisse sich zu den Personen aus beiden Berichten ergeben sowie ob und wie oft und mit welchem Inhalt der damalige Ministerpräsident Bouffier in der Sache Temme interveniert habe, werde die Schaffung neuer Dokumente verlangt, in denen eine eigene Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz dargelegt werden solle. Die Mitteilung von Einschätzungen, Kommentaren oder rechtlichen Bewertungen könne mittels des presserechtlichen Auskunftsanspruchs aber nicht verlangt werden.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus wissen wolle, mit welchen anderen Personen Andreas Temme, Benjamin Gärtner und Stephan Ernst genannt und in Verbindung gebracht worden seien, werde hier die Preisgabe von Informationen verlangt, bei denen ein materieller Geheimhaltungsgrund einschlägig sei. Denn bei Beantwortung dieser Frage könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise, die Organisation und Schwerpunktsetzung der jüngeren Methodik des Hessischen Verfassungsschutzes gezogen werden.

Soweit Auskunft darüber begehrt werde, aus welchen Gründen Innenminister Beuth die Sperrfrist für die beiden Berichte von 120 auf 40 Jahre herabgesetzt habe, sei Erfüllung des Auskunftsanspruchs eingetreten. Denn die Verkürzung der Sperrfrist sei vor dem Hintergrund der geplanten Neufassung der Hessischen Verschlusssachenanordnung (VSA) erfolgt. Früher habe sich die VSA des Landes Hessen an den Bestimmungen der VSA des Bundes orientiert, die zum 1. September 2018 geändert worden sei und nun eine Sperrfrist von 30 Jahren vorsehe. Auch die geplante Neufassung der VSA Hessen solle sich wieder an der Bundesregelung orientieren. Deshalb sei im Vorgriff auf diese Neufassung durch Erlass vom 24. April 2019 verfügt worden, dass bis zum Zeitpunkt der Neufassung der VSA Hessen die Bundesregelung angeordnet werden könne, weshalb alle Sperrfristen zunächst auf 30 Jahre festgelegt worden seien.

Gegen den Beschluss (Az.: 2 L 1168/19.WI) können die Beteiligten Beschwerde erheben, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat.