Urteile im Streit um Bürgermeister(ab)wahl in Hirzenhain

Den Beteiligten wurden heute die schriftlichen Entscheidungsgründe zu den am letzten Freitag von der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen entschiedenen beiden Klageverfahren des ehemaligen Bürgermeisters von Hirzenhain bekannt gemacht (siehe Pressemitteilung vom 23. Februar 2018).

Im Klageverfahren gegen die Gemeinde Hirzenhain (8 K 4379/17.GI) hatte der abgewählte Bürgermeister beantragt festzustellen, dass seine Abwahl am 7. Mai 2017 rechtswidrig gewesen sei und die Beklagte zu verurteilen, ihn wieder in das Amt des Bürgermeisters einzuführen und in so zu stellen, als sei er nicht aus dem Amt geschieden.

Die 8. Kammer hat dem ersten Teil der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Abwahl (durch den Bürgerentscheid vom 7. Mai 2017) rechtswidrig war. Die Kammer hat Rechtsfehler im Abwahlverfahren festgestellt. Sie ist zu der Auffassung gelangt, dass bereits der Beschluss der Gemeindevertretung über die Einführung des Abwahlverfahrens das Gebot der Sachlichkeit verletzt und Rechtsfehler enthält. So enthalte der Beschluss der Gemeindevertretung die Aussage, das Verwaltungsgericht Gießen habe im Verfahren zur Bürgermeisterwahl vom Juni 2014 „gravierende Unregelmäßigkeiten“ festgestellt. Tatsächlich habe das Verwaltungsgericht Gießen in seinem früheren Urteil nie von gravierenden Unregelmäßigkeiten gesprochen. Außerdem enthalte der Beschluss der Gemeindevertretung den Hinweis, das Amtsgericht habe den ehemaligen Bürgermeister in 1. Instanz zu 200 Tagessätzen und einer Geldstrafe verurteilt. Diese Formulierung erwecke den Eindruck, der ehemalige Bürgermeister sei zu zwei kumulierenden Strafen, nämlich zu 200 Tagessätzen sowie zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Tatsächlich sei er jedoch nur zu einer einheitlichen Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt worden. Darüber hinaus habe der Text zur öffentlichen Bekanntmachung über die stattzufindende Abwahl Fehler enthalten. Dem ehemaligen Bürgermeister sei das Adjektiv „streitsüchtig“ in diesem Text zugeschrieben worden, obwohl dieses im Beschluss der Gemeindevertretung nicht vorgekommen sei. Schließlich sei nach dem Kommunalwahlgesetz dem Bürgermeister, der abgewählt werden solle, Gelegenheit zu geben, eine eigene Stellungnahme abzugeben, die in die amtliche Bekanntmachung aufzunehmen sei. Diese Gelegenheit habe man dem Kläger nicht eingeräumt.

Keinen Erfolg hatte dagegen der zweite Teil der Klage. Der Kläger kann – so die 8. Kammer – nicht wieder in das Amt des Bürgermeisters eingeführt werden, weil eine Neuwahl stattgefunden hat und dabei eine andere Person als Bürgermeister gewählt worden ist. Dieses neue Wahlverfahren ist nach Auffassung der 8. Kammer rechtmäßig gewesen. In solch einer Situation sieht, so führt die 8. Kammer aus, weder das Kommunalwahlgesetz noch die hessische Gemeindeordnung vor, dass ein abgewählte Bürgermeister, auch wenn das Abwahlverfahren rechtsfehlerhaft gewesen ist, wieder in das Amt eingesetzt werden könne.

Im zweiten Klageverfahren (8 K 8961/17.GI) hatte der ehemalige Bürgermeister beantragt, dass der Beschluss der Gemeindevertretung über die Gültigkeit der Neuwahl (Wahl vom 24. September 2017 und Stichwahl vom 8. Oktober 2017) aufgehoben und die Neuwahl für ungültig erklärt werden soll. Diese Klage hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Erfolg haben können, weil die Neuwahl formal ordnungsgemäß und fehlerfrei durchgeführt wurde und ein neuer Bürgermeister vom Wahlvolk gewählt worden war. Die Rechtswidrigkeit der Abwahl des vorherigen Bürgermeisters hat – so die 8. Kammer – auf die Neuwahl keinen Einfluss. In einer solchen Situation habe ein (rechtswidrig) abgewählter Bürgermeister allenfalls Schadensersatzansprüche.

In beiden Fällen hat die Kammer die Berufung zugelassen. Die Beteiligten können daher binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.