Verwaltungsgericht Hamburg: Äußerungen des Bezirksamtsleiters in der Bezirksversammlung zu der AfD verletzen das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit heute verkündetem Urteil festgestellt, dass der Bezirksamtsleiter des Bezirkes Hamburg-Nord mit seinen Aussagen zu der AfD in einer Aktuellen Stunde der Bezirksversammlung das verfassungsrechtlich begründete Neutralitätsgebot verletzt hat (Az. 17 K 3466/22).

Die Klägerin ist eine Gliederung der politischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) für den Bezirk Hamburg-Nord. Der Bezirksamtsleiter des Bezirkes meldete sich nach einem Wortbeitrag eines der Klägerin zugehörigen Mitglieds der Bezirksversammlung am Ende einer Debatte zu dem Thema „Angriffskrieg gegen die Ukraine – was kann Hamburg-Nord tun?“ am 24. März 2022 zu Wort. Er äußerte sich u.a. dahingehend, es könne nicht sein, dass die Debatte mit einem solchen Beitrag einer „demokratiefeindlichen Organisation“ beendet werde. Er warf der AfD vor, „Bruder im Geiste von Herrn Putin“ und „Feinde der Demokratie, des Pluralismus und der Meinungsfreiheit“ zu sein.

Die von der Klägerin gegen diese Äußerungen erhobene Klage hatte Erfolg. Nach den Ausführungen der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts in der heutigen mündlichen Verhandlung habe der Bezirksamtsleiter die beanstandeten Aussagen in seiner amtlichen Funktion und nicht als Privatperson getätigt. Er habe in Ausübung seiner Amtsbefugnisse als Bezirksamtsleitung in der Bezirksversammlung das Wort ergriffen. In amtlicher Funktion habe er nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung gegenüber allen, nicht verbotenen politischen Parteien Neutralität zu wahren. Das Neutralitätsgebot folge aus dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG). Dagegen habe der Bezirksamtsleiter verstoßen, indem er sich als Bezirksamtsleitung negativ abwertend zu Lasten der Klägerin geäußert habe.

Weitere Einzelheiten werden sich aus der schriftlichen Urteilsbegründung ergeben, die derzeit noch nicht vorliegt. Die Freie und Hansestadt Hamburg kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils die Zulassung der Berufung beantragen, über die das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zu entscheiden hat.