Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes in Berlin weiter offen

12.09.2013

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes („Laufhaus“) im zweiten bis fünften Obergeschoss eines siebenstöckigen Gebäudes in Berlin-Schöneberg erneut zu entscheiden hat.

Der Beklagte hatte die beantragte Baugenehmigung mit der Begründung abgelehnt, dass das in einem Kerngebiet gelegene Vorhaben wegen der drohenden Entstehung eines „Rotlichtviertels“ gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 BauNVO) verstoße. Während des Berufungsverfahrens beschloss das zuständige Bezirksamt die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel, das Vorhabengrundstück als Mischgebiet auszuweisen, und erließ eine Veränderungssperre. Das OVG hat die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen, weil die Veränderungssperre der beabsichtigten Nutzungsänderung entgegenstehe. Zeiten „faktischer Zurückstellung“ seien auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre nicht in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB anzurechnen, solange ein Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans noch nicht gefasst worden sei. Den Hilfsanträgen, mit denen die Klägerin Feststellung begehrt, dass der Beklagte bei und in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet gewesen sei, über ihren Bauantrag erneut zu entscheiden, hat es demgegenüber mit der Begründung stattgegeben, dass dem Beklagten ein Rückgriff auf das Rücksichtnahmegebot verwehrt sei, weil der drohende Konflikt bereits auf der Ebene des Bebauungsplans hätte bewältigt werden müssen.

Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten hatten teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit insgesamt an das OVG zurückverwiesen. Mit der zwischenzeitlichen Bekanntmachung des durch die Veränderungssperre gesicherten Bebauungsplans ist die Veränderungssperre außer Kraft getreten. Diese Rechtsänderung hat das Revisionsgericht zu berücksichtigen. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob die jetzt erfolgte Mischgebietsausweisung wirksam ist und deshalb dem Vorhaben entgegensteht, bleibt dem OVG vorbehalten. Infolgedessen konnte das Bundesverwaltungsgericht auch über die Erfolgsaussichten der Hilfsanträge nicht abschließend entscheiden. Die Auffassung der Vorinstanz, dass das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot auch dann verdrängt werde, wenn eine planerische Konfliktbewältigung zwar rechtlich geboten war, aber tatsächlich nicht stattgefunden hat, hat es jedoch als bundesrechtswidrig beanstandet.

BVerwG 4 C 8.12 – Urteil vom 12. September 2013

Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg 2 B 18.11 – Urteil vom 07. Juni 2012
VG Berlin 19 A 167.08 – Urteil vom 19. Mai 2008