Gerichtliche Auseinandersetzung um Wahlkampfveranstaltung der NPD in Wetzlar geht weiter

Das Verwaltungsgericht Gießen hat heute Nachmittag in zwei weiteren Beschlüssen Entscheidungen zu der von der NPD für morgen in der Stadthalle Wetzlar geplanten Wahlkampfveranstaltung getroffen.

Die mit Polizei- und Ordnungsrecht und Versammlungsrecht befasste 4. Kammer des Verwaltungsgerichts hat der Stadt Wetzlar im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, es jedenfalls zu unterlassen, eine auf § 11 Hessisches Gesetz über die Sicherheit und Ordnung (HSOG) gestützte Verbotsverfügung gegen die für den 24. März 2018 in der Stadthalle Wetzlar vorgesehene Veranstaltung zu erlassen, wie die Stadt Wetzlar dies in einem Schreiben an die NPD am 21. März 2018 angekündigt hatte.

Ausnahmsweise – so die Kammer – sei hier vorbeugender Rechtsschutz (die angekündigte Verfügung ist ja noch nicht ergangen) möglich, weil ein weiteres Zuwarten aufgrund der engen zeitlichen Vorgaben nicht mehr gewährleiste, dass effektiver Rechtsschutz in Anspruch genommen werden könne.

Die Versammlung unterliege jedoch dem Versammlungsgesetz (VersammlG) und könne daher, da es sich zudem um eine Versammlung in geschlossenen Räumen handele, ausschließlich auf § 5 VersammlG gestützt verboten werden, nicht auf die generelle Regelung des § 11 HSOG, wie die Stadt dies angekündigt hatte. § 5 VersammlG gehe den Regelungen des allgemeinen Polizeirechts vor, soweit es um die Abwehr von sogenannten versammlungsspezifischen Gefahren gehe. Gestützt auf § 11 HSOG dürfe daher nur dann eine Verbotsverfügung ergehen, wenn es sich um Gefahren handele, die nicht von der Versammlung als Ganzes oder den einzelnen Teilnehmern ausgehen, sondern von anderen, z.B. äußeren Umständen, wofür nichts ersichtlich sei.

Ausgehend von den Angaben der Beteiligten vermochte das Gericht auch nicht zu erkennen, dass derzeit Untersagungsgründe nach dem Versammlungsgesetz vorliegen, denn es reiche nicht aus, dass die Möglichkeit für solches Verhalten des Veranstalters oder der engagierten Musiker besteht. Der Gesetzgeber verlange vielmehr, dass „Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, …“. Diese Tatsachen habe die Stadt Wetzlar bislang weder benannt noch nachgewiesen.

Letztlich bleibe es daher den während der Veranstaltung anwesenden Sicherheitskräften vorbehalten, im Fall von Straftaten die Versammlung nach § 13 VersammlG aufzulösen.
Beschluss vom 23. März 2018, 4 L 1572/18.GI

Die 8. Kammer des Veraltungsgericht hat in einem weiteren soeben den Beteiligten zugestellten Beschluss einem Antrag der NPD auf Festsetzung des gestern angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 7.500 Euro und die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes, dieses Mal in Höhe von 10.000 Euro falls nicht bis 17 Uhr die Stadthalle überlassen wird, stattgegeben. Der weitergehende Antrag, für jede angefangene Stunde der Fristüberschreitung ein weiteres Zwangsgeld anzudrohen und aufschiebend bedingt festzusetzen sowie für den Fall, dass die Verpflichtung weiterhin nicht erfüllt werde, die Ersatzvornahme durch die Kommunalaufsicht anzuordnen, hilfsweise Zwangshaft gegen die Stadt Wetzlar bzw. den Oberbürgermeister zu verfügen, hatte dagegen keinen Erfolg. Ein Vollstreckungsantrag unter einer Bedingung sei nicht zulässig.
Beschluss vom 23. März 2018, 8 N 1590/18.GI

Beide Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.
In dem gestern ergangen Beschluss 8 N 1539/18.GI hat die Stadt Wetzlar Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt.
Information:
§ 5 VersammlG [Versammlungsverbot]

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

§ 11 HSOG

Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die folgenden Vorschriften die Befugnisse der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden besonders regeln.